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Energiewende erFahren 2024

4. Tag der Energiewende-Tour: Solarparks, Wind-Repowering und die Bürokratie

Am 4. Tag der Radtour nach Brüssel erfuhren die Teilnehmer, welche bürokratischen Hürden es beim Ausbau der Photovoltaik und der Windenergie gibt und wie ein Landesminister das verbessern will.

Lesezeit: 6 Minuten

Blau schimmert es am Südhang: Auf dem Werksgelände der Nivelsteiner Sandwerke und Sandsteinbrüche GmbH in Herzogenrath steht einer der größten Solarparks in Nordrhein-Westfalen: Betreiber ist die Green Solar Herzogenrath GmbH. Die Anlage mit einer Leistung von knapp 15 MW gehört zu je 45 % der EWV Energie- und Wasser-Versorgung GmbH und der n.s.w. energy gmbh – einer Tochterfirma der Nivelsteiner Sandwerke – sowie zu 10 % der Stadt Herzogenrath.

Der Park ist 2012 entstanden. „Wir hatten ziemlich Rückenwind nach dem Atomunglück von Fukushima. Weil wir unter Bergrecht stehen, hätten wir das heute so wahrscheinlich nicht mehr hinbekommen“, erklärte Charles Russel, Seniorchef von Nivelsteiner, den Teilnehmern der Tour „Energiewende erFAHREN 2024“. Nach diesem Bergrecht muss eine Anlage dem Werk dienen, die Nivelsteiner Sandwerke müssten also mindestens 50 % der Energie selbst verbrauchen. „Das Recht verhindert nicht nur, dass wir den Park vergrößern können, sondern auch, dass wir Windräder errichten dürfen“, berichtet er. Es gäbe immer nur Einschränkungen und Probleme mit dem Genehmigungsrecht. „Die Energiewende könnte wesentlich schneller vorangehen, wenn es nicht diese vielen Hürden gäbe“, bringt er auf den Punkt.

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Klimaschonende Rohstoffgewinnung

Im Oktober 2020 schlossen die RWTH Aachen und die Nivelsteiner Sandwerke und Sandsteinbrüche GmbH einen Kooperationsvertrag zur Erforschung neuer Technologien für eine nachhaltige Rohstoff- und Energieversorgung. Seitdem existiert das Reallabor Nivelstein mit einer Forschungshalle, um Maschinen und Anlagen der Rohstoffgewinnung und -aufbereitung im semi-industriellen Maßstab zu erforschen. „Deutschland kann sich zu 70 % mit wichtigen Rohstoffen selbst versorgen. Wir wollen jetzt Lösungen erarbeiten, um die Rohstoffgewinnung klimaschonender zu gestalten“, erklärt Oberingenieur Dr. Sebastian Wiele vom Institut Advanced Mining Technologys an der RWTH Aachen. Dazu gehören die Automatisierung, Digitalisierung und Elektrifizierung auch mithilfe von Solarstrom. In Herzogenrath ist beispielsweise in Ergänzung zu der Freiflächenanlage und Dachanlagen eine schwimmende Solaranlage geplant, bei der die Module im Tagesverlauf der Sonne folgen. Zudem ist eine Batterie mit 100 kWh Speicherkapazität geplant. „Die Produktion soll möglichst so angepasst werden, dass erneuerbare Energien, wenn sie verfügbar sind, genutzt werden“, sagt Wiele. So soll die Produktionshalle nur dann in Betrieb sein, wenn Sonne da ist.

Wegschauen beim Import

Doch Deutschland bleibt stark abhängig vom Import von Rohstoffen, die gerade für erneuerbare Energien bedeutend sind – z.B. Seltene Erden. „Wir haben teilweise in Deutschland auch Fundstätten für Seltene Erden. Aber das Erschließen ist sehr personalintensiv und bedeuten oft einen großen Eingriff in die Umwelt“, beschreibt Wiele. Denn Lagerstätten seien nicht selten mit Radioaktivität z.B. von Radon verbunden. Daher gibt es große wasserrechtliche und anderweitige Auflagen für die Gewinnung. „Es gäbe auch einige Lagerstätten in Deutschland, die sich wirtschaftlich erschließen ließen, aber wir sind weit von einer Genehmigung entfernt“, so Wiele. Daher bleibe die große Abhängigkeit von China: Über 90 % der Seltenen Erdmetalle werden in China gewonnen. Die Rohstoffversorgung zeige den Widerspruch auf: „Wir leisten uns hierzulande hohe Umweltauflagen, schauen aber gekonnt weg, wenn es um den Import von Rohstoffen geht.“ Ein Phänomen, das Kritiker ja auch beim Import von blauem Wasserstoff, von LNG aus Frackinggas oder von vermeintlich nachhaltigem Biodiesel aus China immer wieder bemängeln.

Bürokratie behindert Repowering

Wie Bürokratie auch den Ausbau der Windenergie behindert, erfuhren die Teilnehmer ein paar Kilometer weiter südlich in Würselen. Hier plant der Windenergieprojektierer REA GmbH mit Sitz in Düren das Repowering von vier Anlagen. Der Windpark Würselen-Broichweiden besteht seit 2003. Die vor 20 Jahren errichteten Anlagen des Typs Enercon E-66 haben jährlich jeweils knapp 4 Mio. kWh Strom produziert. Sie sollen durch zwei Nordex-Anlagen des Typs N131 und N117 ersetzt werden. Hierdurch soll der Energieertrag bei gleichbleibender Anlagenzahl verdoppelt werden: Die neuen Anlagen erzeugen rund 17 Mio. kWh. „Wir hätten gern die beiden E-66 nach dem Abbau verkauft und an einem anderen Standort wieder aufgebaut, es gab großes Interesse von italienischen Betreibern“, beschreibt Bauleiter Udo Hanisch. Der Verkauf scheiterte aber, weil es im fraglichen Zeitraum keine Transportgenehmigung für die zerlegten Komponenten auf der Autobahn gab. Darum mussten Rotorblätter und Turmsegmente verschrottet werden. Auch bei der Anlieferung der neuen Anlagen gibt es Probleme bei Genehmigungen für den Autobahntransport.

Ein weiteres Hindernis ist die Flugsicherung: Die beiden neuen Anlagen haben eine Nabenhöhe von 106 m. Höher durften die Anlagen wegen der Nähe zum Nato-Flugplatz Geilenkirchen nicht sein. Wegen der Flugsicherung gibt es eine Höhenbeschränkung auf 180 m. „Moderne Anlagen mit 6 MW könnten hier zwischen 15 und 20 Mio. kWh Strom produzieren“, sagt Hanisch.

„Mit dieser Regelung, die sich noch auf Technik aus dem letzten Jahrhundert bezieht, gehen viele gute Windstandorte verloren. Dabei wäre das mit modernen Abschalteinrichtungen nicht nötig“, ergänzt auch REA-Gründer und Geschäftsführer Hans-Willi Schruff.

Politik verspricht Bürokratieabbau

Dass die überbordende Bürokratie an vielen Stellen den Ausbau der erneuerbaren Energien behindert, ist in der Politik angekommen. „Viele Auflagen wurden in früheren Jahren geschaffen, um den Ausbau der erneuerbaren Energien absichtlich zu bremsen. Auch haben wir in Deutschland oft aus übertriebenem Absicherungsinteresse Bürokratie aufgebaut. Das wollen wir jetzt ändern“, verspricht Oliver Krischer, Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Unnötige Auflagen aus alter Zeit gibt es bei der Windenergie in verschiedenen Bereichen, z.B. beim Artenschutz. „Es ist gut, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass die Windenergie kein Problem des Artenschutzes ist. Wir müssen die Genehmigungen vereinfachen, damit nicht mehr sechsstellige Kosten für Gutachten nötig sind“, fordert er. Ein Problem sieht er zudem beim Straßentransport, was sich aber mit Blick auf viele marode Brücken nicht so einfach lösen ließe. „Die Routen sind daher nicht so einfach zu wählen. Trotzdem müssen wir uns weiter darum kümmern, dass Schwertransporte einfacher möglich werden“, sagt er. Zwar habe es schon den einen oder anderen Fortschritt bei digitalen Anträgen gegeben, aber die Lage sei weit davon entfernt, gut zu sein.

Erste Fortschritte zeigen sich in Nordrhein-Westfalen: Im ersten Quartal 2024 wurden nach einer Auswertung des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz 139 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 825 Megawatt (MW) genehmigt. Damit liegt Nordrhein-Westfalen bundesweit vor den traditionellen Windenergieländern Niedersachsen (504 MW) und Schleswig-Holstein (356 MW) an der Spitze. Im ersten Quartal 2024 sind außerdem 28 Anlagen (133 MW) neu in Betrieb genommen worden.

Film zur Tour

Auf Youtube finden Sie einen Film zu dieser Tagesetappe der Tour "Energiewende erFAHREN 2024".

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