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Verpackungsfpand auf Milchtüten: Blamage oder "Fake News"?

Da poltert der Milchindustrie-Verband gegen den Plan, Verpackungspfand auf Milchtüten einzuführen – obwohl das niemand gefordert hat. Schlimmer kann sich ein Verband kaum blamieren. Oder: Gekonnter kann man "Fake News" nicht in die Medien bringen. Ein Kommentar von Armin Huttenlocher.

Lesezeit: 4 Minuten

Ein Gastkommentar von Armin Huttenlocher: Eine „Ente“ nennt man im Journalismus die Verbreitung einer Nachricht, die sich als falsch und inhaltlich haltlos erweist. Die politisch motivierte Schwester der „Ente“ heißt „Fake News“. Auch sie ist falsch und haltlos, hat aber eine Absicht, die in der Regel Unruhe stiften will. Manchmal sind sich die beiden Schwester so ähnlich, dass man sie kaum unterscheiden kann.


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Ein Beispiel dafür hat der Milchindustrie-Verband (MIV) dieser Tage mit einer Presseerklärung gegeben. Sie hat vor der Einführung eines Verpackungspfands auf Milchtüten gewarnt: „Der Milchindustrie-Verband (MIV) kritisiert den Vorschlag, die Pfandpflicht auf Milchverpackungen sowie Weinflaschen oder Saft auszudehnen“, heißt es darin. Mögen die Pressemitteilungen des Verbandes der deutschen Molkereien sonst eher zurückhaltende Aufmerksamkeit finden – diese schuf Schlagzeilen. Der Aufschrei der Empörung über die geplante Mehrbelastung von deutschen Milchtrinkern („Gerade junge Familien mit kleinen Kindern sind Großverbraucher an Milch. Und diese würden morgen mit zusätzlicher Arbeit belastet“, so der MIV) und der Ekel vor verschimmelten Behältnissen und übelriechenden Rückgabe-Containern reichte von Flensburg bis an den Bodensee. Keine Regionalzeitung ohne fette Lettern und dicke Ausrufezeichen gegen einen Irrsinn, der nicht zuletzt auch ins Kontor der deutschen Landwirte zurückschlagen würde. „Der Verband fordert daher eine Überarbeitung der Bundesratsstellungnahme. Das Gesetz gehört in die Mülltonne“, forderte der Hauptgeschäftsführer des MIV.


Indes: Nicht nur diese imaginäre Mülltonne, wird leer bleiben. Auch die Rückgabe-Container für Einwegbehältnisse bleiben, wie gehabt, von Milchverpackungen verschont.


„Die Behauptung, der Bundesrat fordere eine Pfandpflicht auf Milchtüten, ist schlicht falsch“, schreibt auf Nachfrage das Umweltministerium in Schleswig-Holstein. Der Sprecher des Baden-Württembergischen Umweltministeriums ergänzt:„Uns ist niemand bekannt, der die Absicht geäußert hat, Pfand auf Einwegverpackungen für Milch einführen zu wollen. Weder wurde bisher eine Bepfandung der Materialart „Karton“ noch des Inhaltes „Milch“ diskutiert.“Auch der Sprecher der Bundesministerin für Umwelt macht klar: „Die Ministerin hält nichts von der Idee eines Einweg-Pfands auf Milchverpackungen und hat das auch deutlich zurückgewiesen.“


Und tatsächlich. Wer einen Blick in den Entwurf des „Gesetzes zur Neuordnung der Verpackungsverordnung“ (Drucksache des Bundesrats 797/16) und die Stellungnahme des Bundesrats dazu wirft, der wird zwar auf den ersten Seiten die Passage lesen, bis zu der wohl auch der MIV gelesen hat, bevor er empört in die Tasten griff und die Alarmglocke läutete: „….spricht sich der Bundesrat dafür aus, dass sich eine Pfandpflicht künftig nicht mehr an den sachfremden Kriterien der Größe oder am Inhalt der Getränkeverpackung, sondern an der Art des Materials der Verpackung orientieren sollte…“


Wer sich indes nicht abhalten lässt von den dann folgenden, gesetzespoetischen Ausführungen und die Lektüre des Entwurfs durchhält bis zum Abschnitt 6 „Getränkeverpackungen“,§ 31 „Pfand- und Rücknahmepflichten für Einwegverpackungen“, der wird unter Abschnitt (4) mit Erleichterung belohnt. Dort steht wörtlich „Die Absätze 1 bis 3 finden keine Anwendung auf (…) Getränkekartonverpackungen, sofern es sich um Blockpackungen, Giebelpackungen oder Zylinderpackungen handelt; (…) Getränke-Polyethylen-Schlauchbeutel-Verpackungen; (…) Folien-Standbodenbeutel“und: „Getränkeverpackungen, die eines der folgenden Getränke enthalten: (…) Milch und Milchmischgetränke mit einem Milchanteil von mindestens 50 Prozent; (…) sonstige trinkbare Milcherzeugnisse, insbesondere Joghurt und Kefir“.


Womit – puff – die Luft aus einem vorschnell aufgeblasenen Ballon entwichen ist und sich das Tosen, das der Milchindustrie-Verband verursacht hat, als Sturm in einem leeren Wasserglas erweist.


Bleibt die Frage: War’s eine „Ente“, weil jemand zu schnell an das Schlechte seiner üblichen Gegner im rot-grünen Umweltpolitikbereich glaubte und ein einziger Satz in einem Vorwort ausgereicht hat, um diesen Vertreter der Milchindustrie in Rage zu bringen?


Oder war es eine „Fake News“, weil – wie man an den darauffolgenden, bundesweiten Schlagzeilen, Artikeln und Kommentaren erkennen kann – nicht nur Verbandspolitiker, sondern auch Journalisten immer seltener lesen, prüfen, nachrecherchieren, bevor sie Zeter und Mordio schreien?


Belassen wir es bei Shakespeare. Es war: „Viel Lärm um nichts.“ Gönnen wir uns ein Glas Milch und werfen die leere Tüte in den gelben Sack. Alles, wie gewohnt.


Zur Person:Armin Huttenlocher ist seit mehr als 15 Jahren politisch-strategischer Berater u. a. auch der deutschen Milchindustrie. Als der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin 2003 das "Dosenpfand" einführte, war Huttenlocher massgeblich an den Verhandlungen und der Durchsetzung einer Ausnahmeregelung für Milchverpackungen beteiligt. Er leitet als Geschäftsführer das Berliner Büro der international tätigen PR-Agentur Res Public Affairs.Corporate Affairs.

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