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Stromautobahnen unterm Acker

Tausende Kilometer dicker Höchstspannungsleitungen werden in den nächsten Jahren unter Äckern und Wiesen vergraben. Flächeneigentümer müssen sich auf riesige Baustellen einstellen.

Lesezeit: 6 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".

Kraftwerke stehen dort, wo Industrie und Großstädte Strom verbrauchen? Das war einmal! Gas- und Kohlekraftwerke sind durch die Energiewende zu Auslaufmodellen geworden. Sie werden von Erneuerbaren Energien abgelöst. Deutschlands Megakraftwerke stehen künftig an und in der Nordsee. Offshore-Windkraftanlagen werden eine entscheidende Rolle bei der Energiesicherheit übernehmen. Gesetzliches Ziel ist es, bis 2045 Offshore-Windparks mit insgesamt 70 Gigawatt an das Übertragungsnetz anzuschließen – die Energiemenge von mehr als 50 großen Kohlekraftwerken. Das bringt ein Problem: Wie kommen die riesigen Energiemengen von der Küste zu den Verbrauchszentren an Rhein, Main, Ruhr und Isar?

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Eine entscheidende Rolle übernehmen dabei Stromautobahnen, so der Wille der Bundes­regierung. Das Prinzip: An der Nordsee wird Wechselstrom mithilfe eines Konverters in Gleichstrom umgewandelt. Leitungen zur Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) ermöglichen es, Spannungen von bis zu 1 Megavolt (MV) und Leistungen von mehreren Tausend Megawatt (MW) zu übertragen. Bei den deutschen Projekten werden 525 kV übertragen. Der Strom fließt ohne Abzweig in die Verbrauchsregion. Dort wird er in einem Konverter umgewandelt und ins Wechselstromnetz eingespeist.

Bislang wurde Strom über Hochspannungs-Freileitungen an Masten quer durchs Land transportiert. Für die großen HGÜ-Stromautobahnen hat der Gesetzgeber den Vorrang der Erdverkabelung festgelegt. Dementsprechend sieht auch der Netzentwicklungsplan für das Höchstspannungsnetz Erdkabel vor.

Erdkabel sind rund fünfmal teurer als Überlandleitungen an Strommasten. Doch können mit HGÜ-Leitungen große Strommengen über weite Entfernungen transportiert werden – und das bei deutlich geringeren Übertragungsverlusten, als das bei Wechselstromleitungen der Fall ist.

Für die Landwirtschaft hat das weitreichende Folgen. Denn die Leitungen werden nicht durch die Städte, sondern größtenteils über Land führen.

Trassen von Nord nach Süd

Tausende von Trassenkilometern werden in den nächsten rund zehn Jahren gebaut werden, zum Teil als Freileitung, zum Teil als Erdkabel. Das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG) listet 99 Vorhaben auf, quer durch die die Bundesrepublik, die meisten davon in Nord-Süd-Richtung. Davon werden 20 Vorhaben als HGÜ-­Erdkabelleitung ausgeführt. Hinzu kommen ­weitere 24 Trassen, die im Energieleitungs­ausbaugesetz (EnLAG) festgeschrieben sind.

Da das Ruhrgebiet und das Rhein-Main-Gebiet als große Energieverbraucher auch nach dem Kohleausstieg versorgt werden müssen, führen gleich vier Kanal-Trassen durch Westfalen und angrenzende Regionen.

  • Korridor A: Der Abschnitt A-Nord führt von Emden nach Meerbusch-Osterath. Danach übernimmt das Ultranet den Energietransport bis Baden-Württemberg.

  • Korridor B besteht aus den beiden Trassen 48 (Heide/West – Polsum) und 49 (Wilhelmshaven – Hamm). Beide laufen zwischen Cloppenburg und Steinfurt in einer gemeinsamen Stammstrecke.

  • Windader West leitet Gleichstrom von Offshore-Windparks in der Nordsee nach NRW.

  • Rhein-Main-Link bündelt vier Vorhaben zu ­einem Energiekorridor von Schleswig-­Holstein nach Hessen. Die Trasse führt durch Ost­westfalen.

Wo geht’s lang?

Bislang gibt es für die meisten Trassen nur ­einen groben Streckenverlauf. Verantwortlich für die Streckenplanung und -ausführung sind bundesweit die vier Übertragungsnetz­betreiber Amprion, Teenet, Transnet BW und 50Hertz. In NRW führt Amprion die Projekte durch.

Wenn das Erdkabel durch mehrere Bundesländer führt, sind nicht die Landesbehörden für die Genehmigung des Trassenverlaufs zuständig, sondern die Bundesnetzagentur.

Als „Magnet“ für die Streckenführung gilt die kürzeste Verbindung zwischen Ziel- und Startpunkt. Doch bilden Schutzgebiete für Natur, Landschaft oder Vögel, Städte, Siedlungen und Wälder „Raumwiderstände“, die von den Planern gemieden werden.

Die erste Stufe des Genehmigungsverfahrens ist die Bundesfachplanung. Der Übertragungsnetzbetreiber legt verschiedene Trassenkorridore fest, wo die Leitung und die Baumaßnahmen am wenigsten die Belange der Öffentlichkeit stören. Dabei sind die Korridore jeweils etwa 1000 m breit. Die federführende Bundesnetzagentur wählt aus den verschiedenen Varian­ten einen Korridor aus.

Als zweite Stufe folgt das Planfeststellungs­verfahren, in dem die Verantwortlichen in die Region gehen und sich die konkreten Bedingungen vor Ort anschauen. Die Topografie wird durch Überfliegung festgestellt. Gewässer­profile werden aufgenommen, Baugrund mit Bohrgeräten untersucht. Die betroffenen Flächen­eigentümer werden vorab informiert, Aufwuchsschäden werden entschädigt.

Als Ergebnis wird der konkrete Trassenverlauf innerhalb des 1000-m-Korridors festgezurrt und im Planfeststellungsbeschluss amtlich ­besiegelt.

Wie läuft das Verfahren?

Da ein hohes öffentliches Interesse daran besteht, dass Klimaschutz schnell umgesetzt wird, laufen die Planungs- und Genehmigungs­verfahren beschleunigt ab.

Mit dem Bundesbedarfsplangesetz hat der Gesetzgeber Fakten geschaffen, wo neue Trassen gebaut werden sollen. Dadurch muss der ­Bedarf nicht mehr für jede einzelne Leitung begrün­det werden. Durch das Netzausbau­beschleunigungsgesetz (NABEG) ist der Rechtsschutz stark eingeschränkt. Klagen ­gehen direkt an das Bundesverwaltungsgericht, ­Revision ist nicht möglich. Bei bundeslandübergreifenden Projekten gehören folgende Schritte zum Verfahren:

Im Netzentwicklungsplan haben die vier Übertragungsnetzbetreiber festgelegt, wie das Stromnetz gestaltet werden muss, damit Erzeugung und Bedarf von Strom in Deutschland regional ausgeglichen sind. Im Bundesbedarfsplangesetz wird daraus das notwendige Trassennetz entwickelt samt den jeweiligen Start- und Zielpunkten des Stroms. In der Bundesfachplanung erstellen die zuständigen Übertragungsnetzbetreiber eine konkrete Planung für den Leitungskorridor. Im Planfestellungverfahren wird der konkrete Leitungs­verlauf festgelegt. Der Planfeststellungsbeschluss entspricht einer Baugenehmigung. Danach kann der Betreiber des Übertragungsnetzes mit dem Bau beginnen.

Wo gibt’s Infos?

Der Netzausbau erfolgt in mehreren Etappen. Bei jedem Schritt können Betroffene und Behörden Hinweise und Stellungnahmen ab­geben – sowohl im Rahmen der Bundesfachplanung bzw. Raumverträglichkeitsprüfung als auch im anschließenden Planfeststellungs­verfahren. Alle Einwände werden geprüft und bewertet. Da die Übetragungsnetzprojekte von zentraler nationaler Bedeutung sind, ist eine grundsätzliche Ablehnung nicht möglich.

Landwirte und Flächeneigentümer sollten sich rechtzeitig informieren, ob der Netzausbau ­ihre Flächen betrifft. Ihre Einwände sollten sie durch Fotos, Skizzen oder Screenshots untermauern, die die Probleme für Haus und Hof verdeutlichen. Im Internet gibt es sehr detaillierte Informationen der Bundesnetzagentur und der Übertragungsnetzbetreiber. Dort kann man sich über den gesamten Verlauf und die eingereichten Unterlagen informieren. Auch der Übertragungsnetzbetreiber Amprion sucht durch Infoveranstaltungen frühzeitig den Dialog mit Betroffenen.

Höchstspannung: Ist das gefährlich?

Von Stromleitungen gehen elektrische und magnetische Felder aus, ebenso Wärme. Ist das für Anwohner und Bodenleben gefährlich?

Das elektrische Feld entlang der Leitung wird durch den Aufbau des Erdkabels abgeschirmt. Der Kupferkern ist von Isolationsschichten umgeben, die wiederum durch eine metallische Außenhülle geschützt sind.

Beim Magnetfeld beträgt der gesetzlich festgelegte Höchstwert 500 Mikrotesla. Der wird nach Aussagen von Amprion selbst direkt über der Trasse nicht erreicht. Er baut sich innerhalb weniger Meter ab und liegt dann beim Normalwert von etwa 50 Mikrotesla.

Ein Flüssigbodenmantel rund um das Kabelschutzrohr soll einen gleichmäßigen Wärmeabfluss gewährleisten. Aufgrund der geringen Stromverluste der HGÜ-Kabel steigt die Bodentemperatur nur geringfügig an, wie eine einjährige Untersuchung an der bereits fertiggestellten Alegro-Trasse ergeben hat. Die Bodentemperatur in der Trasse variierte im Mittel zwischen 0,61 °C (in 20 cm Tiefe), und 1,69 °C (120 cm). Diese leichte Erhöhung hat die Regen­würmer, speziell die Jungtiere, in den Böden des Trassenbereichs gefördert.

Trocknen die Böden durch die entstehende Wärme aus? Nach Messungen der Amprion betrugen die Differenzen im Bodenwasserhaushalt zwischen Trasse und jeweiliger Kontrolle in 20 cm Tiefe absolut –1,0 Gewichts­prozent (Gew.-%) in der Krume und –1,02 Gew.-% im Bereich der Hauptwurzelzone in 60 cm Tiefe. Im Unterboden in 120 cm Tiefe waren die Bodenwassergehalte in der Trasse im Mittel um 2,45 Gew.-% niedriger.

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